Am 9. Oktober 2021 versammelten sich in Dresden etwa 350 Teilnehmer*innen zu einer Demonstration unter dem Motto „Studenten stehen auf“. Die Demonstration richtete sich gegen Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie und reproduzierten die bekannten ignoranten „Ich zuerst“-Inhalte aus dem Querdenken-Milieu. An der Demonstration mischten aber auch bekannte völkische Neonazis mit.
Die Dresdner Gruppe „Studenten stehen auf“ tauchte im November 2020 erstmals auf Telegram auf und ist seit Sommer 2021 verstärkt offline aktiv. Die Demonstration war Teil eines bundesweiten Aktionstages und sollte zugleich dessen Hauptattraktion sein. Entsprechend gab es auch eine nicht unwesentliche Anreise Auswärtiger, die Resonanz blieb dennoch überschaubar. Die Technik wurde vom lokalen Querdenken-Ableger um Marcus Fuchs organisiert. Mit Ralf Ludwig (Querdenken Stuttgart) steuerte ein bekannter bundesweiter Querdenker einen Redebeitrag bei. Begleitet wurde die Demonstration vom üblichen Querdenker-Streamingzirkus.
Aber auch für das neonazistische Spektrum war die Demonstration attraktiv. Hinter dem Fronttransparent tauchte mit Marcel Bernstedter eine Person auf, die sonst im IB-Umfeld zu Hause ist. Dorthin hat auch Lars Steinke gute Kontakte. Der Neonazi war bis 2019 Mitglied der AfD und hat als Mitarbeiter der niedersächsischen Landtagsfraktionschefin Dana Guth gearbeitet. Zeitweise war er Vorsitzender der Jungen Alternative Niedersachsen. Wegen allzu freimütiger Bezugnahme auf den Nationalsozialismus wurde er jedoch aus der Partei ausgeschlossen: Er hatte den Hitler-Attentäter Stauffenberg als Verräter bezeichnet. Auffällig war auch eine von einer völkischen Gruppe aufgeführte Tanzeinlage auf der Zwischenkundgebung auf dem Neumarkt. Sie erinnerte nicht nur an eine frühere Show von Nikolai Nerling im Frühjahr 2019, tatsächlich gab es auch Überschneidungen beim Publikum.
Auf der Zwischenkundgebung hielt dann Almuth Schröder eine Rede. Die Enkelin der NPD-Funktionärin Edda Schmidt ist in einer völkischen Großfamilie aufgewachsen und Teil von „Sturmvogel – Deutsche Jugendbewegung“. Die Nachfolgeorganisation der 1994 verbotenen Wiking-Jugend bzw. der 2009 verbotenen Heimattreuen Deutschen Jugend ist eine Kaderschmiede für den völkischen Nachwuchs.
Vom Moderator der Demonstration wurde sie als die Lehramtsstudentin angekündigt. Ihre Rede findet sich mittlerweile auf dem Instagram-Account der Gruppe, um Diskretion bemüht, wird Schröder hier jedoch als „Amelie“ vorgestellt.
Ihre Rede folgt völkisch-neonazistischer Logik und sehnt sich nach einem Aufstand: Sie appellierte mit blumigen Worten an eine „universitare Gemeinschaft“, die verpflichtet sei „staatliche Maßnahmen aus ihren Laboren und Hörsälen fernzuhalten.“ Man solle gegen „die Obrigkeit“ aufstehen und sich nicht weiter seinem Leben einschränken lassen. Als historisches Vorbild muss – völlig verquer und damit zielgruppengerecht – die revolutionäre Studentenbewegung des Vormärz herhalten. Auf der Abschlußkungebung stand Almuth Schröder erneut auf der Bühne und verlas die Forderungen der Dresdner Regionalgruppe von „Studenten stehen auf“. Es ist naheliegend, dass sie damit zum organisatorischen Kern der Gruppe gehört.
Seit der Demonstration setzt „Studenten stehen auf“ verstärkt auf Rekrutierung. Regelmäßig finden offene Treffen an der Feuerstelle am Johannstädter Elbufer statt an denen bis zu 30 Personen teilnehmen. Schröder ist regelmäßig dabei. Begleitet wird sie unter anderem von Freya Honold, ebenfalls Studentin an der TU Dresden und völkische Aktivistin, ebenfalls in einer einschlägigen Familie aufgewachsen und mit Vergangenheit bei den Identitären. Offenbar bildet sich mit „Studenten stehen auf“ ein neues Projekt im „vorpolitischen Raum“, mit dem völkische Aktivist*innen ihren Einfluss erweitern wollen. Nicht verwunderlich, dass auf den Zusammenkünften, dann auch schonmal strammer Rechtsrock von „Sleipnir“ aufgelegt wird. Und vermutlich ist es auch kein Zufall, dass das Logo von „Studenten stehen auf“ große Ähnlichkeiten zum Logo des identitär-neonazistischen Webprojekts „Europa Invicta“ aufweist.
Fakt ist: Dresden ist für rechte Aktivist*innen ein beliebter Studienort. Der dort verbreitete Ruf von Dresden als Zentrum der Bewegung sorgt für Zuzug und dementsprechend auch immer wieder Anläufe politisch Fuß zu fassen. Das zeigt sich derzeit an der Universität selbst: Seit Semesterbeginn werden auf dem Campus regelmäßig und massenhaft rechte Sticker vom Versand „Politkleber“ verklebt. Der Versand gehört dem Hallensischen Neonazi Sven Liebig, der in den 2000er Jahren eng mit dem „Blood & Honour Netzwerk“ verbunden war. Neben rassistischen und antisemitischen werden vor allem coronaleugnende Inhalte auf dem Campus verbreitet.